Brexit-Gewinner Paris.

Den Briten dürfte bei ihrem Austritt aus der EU klar gewesen sein, dass London als führender Finanzplatz würde „Federn lassen müssen“. Und so ist es keine Überraschung, dass London zwar nach wie vor der größte Finanzplatz Europas ist, jedoch einiges an Geschäft an den Kontinent verloren hat. Ohne Zweifel haben Amsterdam, Frankfurt, besonders Dublin aber am meisten Paris von der Brexit-Entscheidung profitiert.

Die französische Hauptstadt konnte dabei den Löwenanteil der Abwanderung aus London für sich verzeichnen. Vor allem die großen amerikanischen Investmentbanken haben Paris zu ihrem wichtigsten Handelsplatz auf dem Festland erkoren. Zwar hätte bei entsprechendem Willen der Politik der wichtigste deutsche Finanzplatz – Frankfurt am Main – zum Primus auf dem Kontinent aufsteigen können. Eindeutigerweise hat sich Paris viel stärker um die Ansiedlung Londoner Banken einsetzt. Der derzeit stark in der Kritik stehende Präsident Emmanuel Macron hatte es zur Chefsache erklärt, den Auslandsbanken die französische Capitale als Standort schmackhaft zu machen. Dies überrascht nicht, hat doch der hoch gebildete und aus gutem Elternhaus stammende französische Präsident selbst einschlägige Erfahrungen im Investmentgeschäft als Partner bei Rothschild & Co erworben. Zudem diente er seinem Land unter Präsident François Hollande als Wirtschaftsminister. 

Hätten sich deutsche Amtsträger mit der gleichen Verve für Frankfurt eingesetzt, wie es Macron für Paris tat, dann könnte die mit Abstand größte Volkswirtschaft Europas möglicherweise einen Post-Brexit-Boom im Finanzsektor erleben. Aber in der deutschen Politik fehlt es an elementaren Kenntnissen über die Bedeutung von Finanzmärkten und zudem kann man sich des Eindrucks nicht erwehren, dass es ideologische Abneigungen gegen den Geldsektor gibt. Dabei wird allerdings übersehen, dass Wohlstand stets auch eine Funktion florierender Finanzmärkte ist. Es ist keineswegs ein Zufall, dass Länder mit starken Finanzsektoren (USA, Großbritannien, Singapur, Schweiz, Dubai) sehr vorteilhaft in den Wohlstandsstatistiken rangieren. Mehr noch: Der Finanzsektor ist kein Niedriglohnsektor und kann als klimafreundlich angesehen werden. Zudem ist der Wettbewerb aus China keine Gefahr, wie dies in produzierenden Gewerben der Fall ist.

Die starke Rolle, die Paris mittlerweile unter den Finanzmärkten einnimmt, findet auch an den Aktienmärkten ihren Ausdruck. Es mag manche Leser erstaunen, aber der französische Aktienmarkt ist deutlich wertvoller als der deutsche Aktienmarkt, obwohl die deutsche Volkswirtschaft um ein gutes Drittel größer ist als jene Frankreichs. Allein die französischen Börsenschwergewichte LVMH, Hermès und L´Oréal stellen die deutschen Top 3 (SAP, Siemens und Deutsche Telekom) bei weitem in den Schatten, zumal das bislang wertvollste Unternehmen Deutschlands, die Linde PLC. der Börse in Deutschland inzwischen zugunsten der Vereinigten Staaten den Rücken gekehrt hat. Allein LVMH ist an den Börsen ungefähr so viel wert, wie die größten vier deutschen Unternehmen zusammen. An diesem Befund lässt sich einmal mehr die dürftige Aktienkultur und das politische Desinteresse daran ablesen. Dabei wäre es für den Wohlstand der Bürger klüger, die Frage zu priorisieren, was getan werden kann, um die Bevölkerung an der Wohlstandsmaschine Finanzmarkt Teilhabe zu verschaffen.

Fazit: Großbritannien hat seiner Finanzindustrie mit dem Brexit einen Bärendienst erwiesen. Durch ihre konstruktive Attitüde ist es Frankreichs Führung gelungen, große Handelsabteilungen von der Themse an die Seine zu locken.

Die deutsche Politik hat in den vergangenen Monaten mehrfach schmählich erfahren müssen, dass andere Länder über realistischere Einschätzungen (Russland, Verteidigung, Energie, Migration, China, etc.) der tatsächlichen Lage verfügen. Es ist zu befürchten, dass dies auch auf dem Gebiet der Finanzmärkte der Fall ist.


Ihre

Fondsmanager und Mitinvestoren

Dr. Christoph Bruns               Ufuk Boydak       

Chicago,                                    Frankfurt a.M. am 30.04.2023