Anlegerstimmung: kopflos statt kopflastig

Viele Anleger sind auf das Dilemma der Zentralbanken fixiert. Dabei haben Fondsmanager eine ganz andere Aufgabe: gute Unternehmen zu finden, auch wenn der Wind von vorne bläst. Markus Herrmann blickt durch die Krise hindurch und zeigt auf, wo noch positives Potential liegt.

Die Bondmärkte haben den Zentralbanken früh genug signalisiert, was die größte Befürchtung der Anleger war: Inflation. Jetzt hat die Teuerungsrate ein historisches Maß erreicht und Zinserhöhungen in Amerika wie auch demnächst in Europa erfolgen zum denkbar ungünstigsten Zeitpunkt. Gleichzeitig schlingert die Wirtschaft unsicher zwischen Versorgungsengpässen und einem wieder anziehenden Corona-Krankenstand hin und her.

In diesem Umfeld haben die Aktienmärkte das schlechteste erste Halbjahr seit den 70er Jahren erlebt. Inflation senken und die Konjunktur am Laufen halten widerspricht sich eben diametral. Es ist sehr auffällig, wie stark Anleger auf den aktuellen Zielkonflikt der Notenbanken fokussiert sind. Nun hängt noch die Sorge um einen vollständigen Stopp von russischen Gaslieferungen wie ein Damoklesschwert über den Köpfen der Marktakteure. Das würde sicher den Übergang in eine Rezession besiegeln. Hiervon wären jedoch nicht alle Firmen gleichermaßen betroffen. So wie in früheren Phasen steigender Zinsen und rückläufiger Konjunktur lassen sich auch jetzt Unternehmen finden, die dem Gegenwind trotzen. Es lohnt ein Blick nach vorn.

Beruhigung im nächsten Jahr

Im Moment bestimmt eher Kopflosigkeit das Geschehen an den Märkten. Die Inflationsangst erscheint übertrieben, wenn zur selben Zeit unter dem Eindruck der Rezessionsangst die Preise der meisten Industrierohstoffe sinken. Kupfer oder Containerfrachtraten notieren inzwischen 30 Prozent unter ihrem Höchststand und sogar Öl hat etwas korrigiert. Der Rückgang in diesen hochzyklischen Indikatoren deutet schon an, dass sich die allgemeine Preisentwicklung im nächsten Jahr beruhigen wird. Und auch was die Abhängigkeit von russischem Gas betrifft, dürfte 2022 das letzte Jahr sein, in dem Europa derart davon gefangen ist.

Dennoch hängen die meisten Marktteilnehmer im Stimmungstief fest. Der im Juli veröffentlichte ZEW Konjunkturindex ist auf einen so niedrigen Stand wie zuletzt im April 2020 gefallen als die Corona-Pandemie ihren Anfang nahm. Der Pessimismus greift nicht nur bei energieintensiven Sektoren, sondern auch beim privaten Konsum um sich. Der Sparwille der Privaten zeigt sich am deutschen Autoabsatz ganz deutlich. Und sogar im sonst eher stabilen e-Commerce verhageln die anstehenden Energierechnungen den Konsumenten die Kauflaune. In vergangenen Bärenmärkten bereiteten solche Phasen an den Börsen den Boden für eine Stabilisierung.

Deutsche Wirtschaft krisenfester

Fasst man die Ergebnisse vieler Managementgespräche zu einem Gesamtbild zusammen, sind seit der Großen Finanzkrise fast alle Prozesse durch die Digitalisierung flexibler geworden. Das in den Bilanzen gebundene Kapital ist heute deutlich besser gemanagt, als vor zehn Jahren. Deutsche Unternehmen sind also krisenfester als noch 2007, selbst wenn es zu einem Gaslieferstopp aus Russland käme. Allerdings ist für Standorte in Ostdeutschland Vorsicht angezeigt. Hier kursieren viele Modellrechnungen, die ohne Dominoeffekte kalkuliert wurden. Globale Konzerne wie Covestro oder WackerChemie könnten dagegen einige ihrer energieintensiven Produktionsprozesse in Regionen verlagern, die nicht so sehr von russischem Gas abhängig sind. Das könnte notfalls auch außerhalb Deutschlands sein. Die Börse hat solche flexiblen Möglichkeiten bislang nicht berücksichtigt.

Stattdessen waren im ersten Halbjahr Aktien solcher Unternehmen gefragt, die von der Inflation profitierten. Setzt sich das Szenario eines Konjunktur- und damit Inflationsrückgangs durch, löst sich diese vermeintlich sichere Wette schnell auf. Unter der Unsicherheit leiden dafür solide Werte, die in ihren Industriezweigen zu den Marktführern gehören. Beispielsweise handeln Kion oder Jungheinrich nur noch mit der Hälfte ihres Werts im Vergleich zum vorigen Jahresende, weil sie Anlegern zu zyklisch sind. Die Bewertung von Konsumaktien litt unter gleich zwei Effekten: zum einen der hohen Vergleichsbasis aus den Corona-Jahren und zusätzlich darunter, dass sich Käufer unter dem Eindruck des Ukrainekrieges noch mehr zurückgehalten haben, als in einer normalen Wirtschaftsphase.

Bodenbildung deutet sich an

Bei einigen Unternehmen sind die Gewinnschätzungen seitens der Analysten möglicherweise noch zu hoch. Aber in ausgewählten Titeln nähern sich die Aktienkurse an Niveaus für einen günstigen Einstieg. Das trifft auf Firmen zu, die sich den negativen Folgen einer Gaskrise entziehen können. Chemie-Unternehmen wie Covestro oder auch Wacker Chemie zählen dazu, weil sie über genügend Kapazitäten im Ausland verfügen. Covestro gehört bereits zu den wichtigen Positionen im Deutschlandfonds.

Generell ist der LOYS Premium Deutschland Fonds fast ausschließlich in defensiven Werten investiert, deren Geschäftsentwicklung von der Industriekonjunktur wenig beeinflusst wird. Dazu gehört beispielsweise die Position in Stroer. Es könnte sich in den Sommermonaten jedoch auch für zyklischere Werte eine Bodenbildung abzeichnen. Das Fondsmanagement arbeitet mit einer Beobachtungsliste, deren Käufe bei passenden Gelegenheiten umgesetzt werden. Das defensive Profil des Fonds bleibt dabei erhalten.

Rationale Entscheidungen

Zukäufe erfolgen in Unternehmen, deren Eigenschaften wie Marktführerschaft, Agilität und strukturelles Wachstum hohe freie Cashflow begünstigen. HelloFresh ist ein Beispiel dafür. Steigende Zinsen haben auf den Erfolg des globalen Marktführers für Kochboxen keinen direkten Einfluss. Wichtig für die Aktie ist der Erfolg der Expansion außerhalb Europas.

Aktive Manager sollten sich derzeit auf Unternehmen mit einem eng gefassten Geschäftsmodell konzentrieren. Bei nüchterner Betrachtung sind viele deutsche Nebenwerte günstig wie selten.