Beharrliche EZB

Die Europäische Zentralbank möchte keine Zinserhöhung vornehmen. Dieser Befund lässt sich aus den Worten und Taten der Notenbanker eindeutig herauslesen. Freilich wissen die Damen und Herren auch, dass der öffentliche Druck irgendwann zu hoch wird und eine Veränderung der Geldpolitik erzwingt, zumal die USA vorgeprescht sind.

Entsprechend wurde aus dem Turm in Frankfurt kommuniziert, es müssten zunächst die monatlichen Anleihekäufe heruntergefahren und irgendwann eingestellt werden, dann könne man ggf. an der Zinsschraube drehen. Möglicherweise würden die Anleihekäufe im dritten Quartal dieses Jahres beendet. Warum die Anleihekäufe immer noch notwendig sind wird allerdings von der EZB nicht schlüssig beantwortet. Man wird nicht fehlgehen in der Interpretation, dass die Wirtschaft und die Staatshaushalte in der Eurozone in dermaßen schlechter Verfassung sind, dass eine fortwährende Alimentation durch die Zentralbank notwendig ist.

In der Zwischenzeit sind die Bürger der Eurozone durch eine in Galopp gekommene Geldentwertung um einen Teil ihres Wohlstandes gebracht worden. Weiteres Ungemach von der Inflationsfront steht zu erwarten, so dass der größte Wohlstandsverlust seit Jahrzehnten zu beklagen ist. Eine Ironie besteht darin, dass die Notenbank selbst durch ihre fortgesetzte Nullzinspolitik, nebst starker Geldmengenausweitung, die Inflation anfacht. Milton Friedman, der Wirtschaftsnobelpreisträger von 1976, hatte mit seiner Quantitätsgleichung des Geldes postuliert, dass die Ausweitung der Geldmenge c.p. zu höherer Inflation führe. Nach vielen Jahren des strammen Geldmengenwachstums schlägt die Geldentwertung nunmehr mit Siebenmeilenstiefeln ins Kontor. Auch die von Frau Lagarde verfolgte Schwachwährungspolitik heizt die Inflation mächtig an, denn Importgüter – nicht zuletzt Energie und andere Rohstoffe – verteuern sich angesichts des schwachen Euros zusätzlich. Aber die vormalige französische Finanzministerin ficht das nicht an.

Dabei steht die Europäische Zentralbank keineswegs allein da, wenn es darum geht, das eigene Mandat der Geldwertstabilität zu ignorieren. Auch in der Fiskalpolitik halten sich die Staaten des Euroraums nicht an die im Vertrag von Maastricht festgelegten Kriterien. Dass auch die Bundesrepublik Deutschland ihren diesbezüglichen Verpflichtungen nicht nachkommt ist beklagenswert, interessiert aber im politischen Berlin niemanden. Ganz ähnlich sieht es mit der Verpflichtung aus, zwei Prozent des Bruttosozialproduktes für Verteidigung auszugeben. Der schlampige Umgang mit eingegangen Verpflichtungen hat sich systemisch eingenistet. Die Bürger werden sich ihren Teil dazu denken.

Europa ist in den letzten zwanzig Jahren gegenüber Nordamerika und Asien wirtschaftlich klar zurückgeblieben. Lange vorbei sind die Zeiten, in denen die EU den Ehrgeiz hatte, die wettbewerbsfähigste Wirtschaftsregion der Welt werden zu wollen. Ob der Ukraine-Krieg die Chance einer Neuorientierung bringt wird sich zeigen. Indessen ist es wahrscheinlicher, dass die EU ihr Heil im wohlfahrtstaatlichem Ausbau, finanziert durch die Europäische Zentralbank, suchen wird.


Aus Chicago

Ihr

Dr. Christoph Bruns